Spass oder „Fun“ ist einer der Grundpfeiler von Gamification. Gamification hat seinen Namen, weil es mit dem Ziel antritt, die motivierenden Prinzipien und Elemente aus Spielen in anderen Bereichen wie der Arbeitswelt zu aktivieren und nutzbar zu machen. Und weil es der „Spass“ ist, der Spielen ihre magische Anziehungskraft verleiht, gehört Spass wie kein zweiter Baustein zur DNA von Gamification.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?
Doch auf Spass zu setzen, ist für viele Unternehmen eine mehr oder weniger grosse Zumutung.
Je grösser ein Unternehmen ist, um so stärker ist der automatischen Abwehrreflex des kulturellen Immunsystems, der durch den „Game“-Teil des Begriffs „Gamification“ ausgelöst wird. Mehr oder weniger explizit wird zu erkennen gegeben:
„Bei uns wird nicht gespielt, hier wird gearbeitet.“
Selbst viele Organisationen, die den Nutzen von (etwas) „Fun“ bei der Arbeit zwar durchaus einsehen, vertreten eine abgeschwächte Form dieser Haltung. Dort heisst es dann sinngemäss:
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“
Die Grundüberzeugung hinter beiden Haltungen ist klar: Schlimmstenfalls ist Spass das genaue Gegenteil von Leistung. Bestenfalls unschädliches, aber auch nicht wirklich zielführendes Beiwerk. In jedem Fall lenkt Spass aber von der seriösen, produktiven Tätigkeit ab.
Die Grundüberzeugung: Wer Spass hat, ist unproduktiv.
Genau wie die Eskimos vermeintlich 100 verschiedenen Wörtern für „Schnee“ haben, so hat Gamification ein viel differenzierteres Verständnis davon, was alles „Spass“ macht. Man kann Managern, die sich noch nicht ernsthaft mit Gamification auseinandergesetzt haben, deshalb keinen Vorwurf machen – Ihnen fehlt schlicht das Hintergrundwissen und die mentalen Modelle, die eine andere Denkhaltung ermöglichen.
Was macht eigentlich alles Spass?
Denn im Alltagsverständnis bedeutet Spass oft nur das, was Nicole Lazzaro „Easy Fun“ genannt hat. Dieser entsteht, wenn ich mich einfach inspirieren oder überraschen lasse, ziellos etwas Neues erkunde oder mich meiner Phantasie hingebe. Mit diesem Verständnis vor Augen ist nachvollziehbar, warum Unternehmen eine scharfe Grenze zwischen ‚Arbeit‘ und ‚Vergnügen‘ ziehen.
Doch es gibt weitere (und produktivere) Quellen von Spass, um die es bei Gamification ebenfalls geht. Etwa den „Hard Fun“, der sich einstellt, wenn Akteure voll Stolz auf eine schwierige Aufgabe oder ein Hindernis zurückblicken können, die sie erfolgreich gelöst bzw. überwunden haben.
„Serious Fun“ und „People Fun“ sind weitere Dimensionen des Begriffs, die Nicole Lazzaro in ihrer Übersicht der 4Keys2Fun detailliert beschreibt. Etwas Sinnvolles zu tun oder etwas mit anderen zu teilen, gibt ein gutes Gefühl – es macht Spass.
Gamification spricht in allen diesen Fällen von „Fun“, weil jedes Mal im Gehirn die gleichen neurologischen Prozesse ablaufen: Das Gehirn gibt sich selbst ein „gutes Gefühl“, indem es Neurotransmitter wie Dopamin ausgeschüttet, welche das interne Belohnungssystem aktivieren. Das Ergebnis wird als intrinsische Motivation bezeichnet. Die „Big Four“ dessen, was intrinsisch motiviert, sind Relatedness, Autonomy, Mastery und Purpose, oder kurz „RAMP“.
Im Kern sorgt Gamification dafür, dass das Gehirn durch Mechanismen wie Levels und Visualisierungen von bereits Erreichtem (Badges) laufendes, zeitnahes und deutliches Feedback über die Auswirkungen der eigenen Handlungen erhält. Für die Motivationswirkung ist es dabei nicht einmal wichtig, dass das eigene Handeln immer erfolgreich ist. Selbst das Scheitern an einer Herausforderung auf dem Weg zur Meisterschaft löst die gewünschten Emotionen aus und stachelt den Ehrgeiz an, es beim nächsten Versuch doch noch zu schaffen. Untersuchungen zeigen sogar, dass bei Spielern das Scheitern stärkere Emotionen auslöst als das Erreichen des Ziels.
Wer „Spass“ auf diese Weise versteht, dem sollte das Potenzial von Gamification für „seriöse“ Zwecke ins Auge springen. Meistens ist es aber nötig, zuerst den Bedeutungsraum des Begriffs Spass zu reflektieren. Hilfsmittel wie diese Liste mit „43 Things People think are Fun“ sind ein geeignetes Instrument, um den Horizont von Skeptikern zu erweitern.
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